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Pathogene Bakterien im Meerwasseraquarium Teil 1

Teil 1: Vom Fang der Fische bis zum Aquarianer. Von Tierarzt Harald Mülder und Robert Baur-Kruppas [Erstveröffentlichung in der Fachzeitschrift "Koralle", 2006]

Vor fast zwei Jahren trat der Importeur Tropical Live Import aus Menden im Sauerland an Harald Mülder heran und schilderte ihm die Problematik von Fischsterben in seiner Großanlage. Wöchentlich erreichen den Importeur Fischlieferungen aus allen Regionen der Weltmeere. Ein Teil der Fische kam entweder schon tot an, oder verstarb innerhalb kurzer Zeit, zum Teil mit, oder auch ohne deutliche Symptome. Das ist im gesamten Großhandel sicherlich keine Neuigkeit das es ab und zu auch Probleme geben kann. Zum Glück ist das mit dem Fischsterben heute nicht mehr so, dazu aber an anderer Stelle dann mehr.

Die Verdachtsdiagnose eines befreundeten Fachhändlers aus Holzgerlingen waren Einzellerinfektionen wie Broklinella und Uronema. Bei einem vereinbarten Termin vor Ort wurde aber schnell klar dass hier keine einfache Infektion mit Einzellern vorliegt. Bei der Annamnese wurde offensichtlich, dass die Fische innerhalb von einer Stunde erkrankten und starben. Andere wieder herum zeigten rot unterlaufene Hautveränderungen. Diese zeigten dann jedoch noch keine Veränderung des Allgemeinempfindens und nahmen sogar noch Futter auf.


Mehrere frisch verstorbene, sowie im Todeskampf befindliche Fische wurden von Harald einer genauen Untersuchung unterzogen. Er sezierte einige und nahm Hautabstriche in denen keine Einzeller nachgewiesen werden konnten. Jedoch zeigte sich hier schon eine hochgradige Besiedlung mit sich schnell beweglichen Bakterien. Bei der näheren Untersuchung der Bauchhöhle zeigten sich die Organe, selbst der frisch getöteten Fische, in einem stark autolytischen Zustand. (autolytisch = Selbstauflösung)

Die Leber war schon in einem braunen Schleim zerfallen und die Bauchhöhle zeigte sich mit einer braunen Flüssigkeit gefüllt. In den Organquetschproben wurden diese sich schnell fortbewegenden Bakterien auch gefunden. Wir entschlossen uns die Verdachtsdiagnose VIRBRIONENINFEKTION in einem Labor bestätigen zu lassen. Auch forderten wir gleich einen Resistenztest an. Diese Tupferproben von unterschiedlichen Fischen wurden an das Labor Laboklin in Bad Kissingen gesandt. Zudem nahm Harald drei Fische mit, ein Anemonenfisch, und zwei Riffbarsche um schon einen Therapieversuch vorweg zu unternehmen. Bereits auf dem kurzen Weg von nur 2 Stunden verstarb einer der Fische schon in der Tüte. Die anderen beiden wurden behandelt und überlebten. Sie zeigten noch keine Krankheitsanzeichen im Verhalten jedoch waren schon typische Hautläsionen erkennbar. Behandelt wurde mit Granulatfutter dem Tetracylin beigegeben wurde. Tetracyclin ist ein Breitbandantibiotikum welches bei Vibrioneninfektionen neben Chloramphenicol (welches nicht gegen Fadenalgen wirkt) als Mittel erster Wahl gilt. Es ist verschreibungspflichtig wie alle anderen Antibiotika und andere Medikamente. Dosiert wurde 250 mg auf 100 Gramm Granulatfutter. Dieses Futter wurde mit einer 5 % Injektionslösung besprüht. Damit es nicht zur Lösung des Medikaments im Meerwasser kommt empfiehlt es sich das Granulatfutter, nach dem trocknen, mit einem Fischöl zu besprühen. Die Anwendung sollte in der Regel 8 – 10 Tage andauern, aber auf jeden Fall bis zur Besserung des Fisches. Die Behandlung der Fische erfolgte in einem extra eingerichteten kleinen Becken (Quarantäne). Die beiden Fische sprachen gut auf die Behandlung an und zeigten nach einer Woche keine Symptome mehr.

Nach einer Woche kam das schon erwartete Ergebnis von Laboklin aus Bad Kissingen. Wie schon von Harald vermutet bestätigte sich der Verdacht dass es Vibrionen waren.


Es handelte sich um den Fischpathogenen Keim Aeromonas hydrophila.

Er kommt sowohl im Meer- Brack- und Süßwasser vor und stellt in Fischzuchten ein großes Problem dar. Die Symptome sind sehr verschieden wobei es auch auf den Infektionsweg ankommt. Es können rot unterlaufene Hautstellen(erythrodermatitis) bis hin zur Geschwürbildung (ulcerative Dermatitis) vorkommen. Flossensaumnekrosen lassen die Flossen zerfetzt aussehen. Kommt es zur Sepsis verstirbt der Fisch nach kurzem orientierungslosem herumschwimmen.

Der Resistenztest fiel erschreckend aus! Von 30 getesteten Antibiotika waren nur zwei Antibiotikagruppen wirksam.

Zum einen die relativ neuen Gyrasehemmer (z.B.Enrofloxacin, Marbofloxacin) Und zum anderen einige Aminoglykoside die aber nach Oraler Gabe nicht systemisch wirken. Somit fallen diese Antibiotika nicht in die Wahl der möglichen Antibiotika.

Tetracykline und Chloramphenicol sind im allgemeinen die erste Wahl bei Vibrioneninfektionen. Aber in diesem Fall scheiden sie wegen der Resistenzlage völlig aus. Es ist anzunehmen das diese Antibiotika im Exportland angewendet wird.


Als sofortige Maßnahmen wurde dem Importeur empfohlen jeglichen Bodengrund zu entfernen, und die UV Klärung zu verstärken, sowie eine Ozonisierung des Wassers.

Vibrionen sind halophile (salzliebende) Bakterien die sich im Bodengrund und in sauerstoffarmen Zonen aufhalten und vermehren können. Bei der Problematik der Vibriose ist zu beachten, dass die Keime nach der oralen Aufnahme sich im Magen-Darmtrakt schnell vermehren und zu einer Sepsis führen. Der nun noch von den Fischen ausgeschiedene Kot infiziert wieder herum andere die diesen fressen. Kommt es zu einer Infektion an Schleimhautverletzungen führt dies zu den typischen rot unterlaufenen Hautveränderungen und Geschwüren. Diese sind jedoch mit den Einzellerinfektionen leicht zu verwechseln.

Die Wurzeln der Infektion sind unserer Ansicht nach in den Herkunftsländern zu suchen.

Es beginnt schon beim Fang mit Schleimhautabschürfungen und Verletzungen. Die Fische werden dann in eine Zwischenhälterungsanlage verbracht die diese hochresistenten Keime beherbergt. Die multiple Antibiotikaresistenz lässt darauf schließen, dass in der Zwischenhälterung Antibiotika eingesetzt werden. Ungenügender Wasserwechsel und dichter Besatz führen zu weiterer Stressung der Tiere, was zur Folge haben kann dass das Immunsystem seinen Dienst versagt. Leider kennen wir die genauen Zustände vor Ort nicht, so das wir nur mutmaßen können, anhand von Berichten. Die dann importierten Fische verenden bald so das oft gemeint wird hier liegen Giftfänge vor, da auch äußerlich keine Anzeichen zu erkennen sind. Auch wir glaubten bisher das es sich um Giftfänge handelt wenn Fische nach einer Woche das zeitliche segnen und das ohne ein Krankheitsanzeichen und bei andauernder Futteraufnahme. Seitdem wir uns aber näher mit der Thematik Vibrionen beschäftigen glauben wir das nicht mehr. Die Infektion dieser Fische muss aber nicht immer vom Händler mit kommen sondern kann sich auch im eigenen Aquarium manifestieren. Ein frisch eingesetzter Fisch hat oft nicht die Immunität wie der Altbesatz. Er ist empfindlicher, das Immunsystem ist noch geschwächt. So kann es sein das er erkrankt ohne das der Altbesatz davon betroffen ist. Es ist natürlich auch gegenteilig möglich, dass der Fisch als Dauerausscheider diese Keime einschleppt und so den Altbestand ansteckt.


Seit der Diagnose aus dem Labor hat Tropical Live Import wieder gut lachen. Kein Wunder wenn man weiß wonach man suchen muss. Die Qualität der Fische ist seit geraumer Zeit deutlich über Norm. Harald hat ihm hier natürlich mit einem Gesundfutter auch ein wenig geholfen. Weitere Maßnahmen über den Import taten ihr übriges.

Dies ist nur ein Teil speziell fischpathogener Vibrionacea die speziellen Krankheiten zugeordnet werden. Aber auch eine Großzahl nicht direkt fischpathogener Vibrionacea können Fische infizieren. In der kommerziellen Fischzucht ist die Vibriose eine weit verbreitete und gefürchtete Krankheit. Aus diesem Grunde gibt es im Ausland Impfstoffe gegen diese Erreger. Es wäre zu wünschen das in Zukunft der Antibiotikaeinsatz zurückgeschraubt wird und das auch bei unseren Zierfischen ein Impfstoff zur Prophylaxe gegen die Vibrionen zum Einsatz kommt. Dies ist aber in erster Linie dort einzusetzen wo die Fische gefangen werden, direkt nach dem Fang. Die Schwierigkeit ist die, dass ein Impfstoff hergestellt werden muss und Impfstoffe verschrieben werden müssen. Das bedeutet das Tierärzte vor Ort betreuen müssen. Da sehen wir aber ein Problem, da dies Kosten verursacht die wahrscheinlich keiner bereit ist zu tragen. Sind die Fische erst mal bei uns ist der Einsatz diese Impfung fraglich da die Infektion schon stattgefunden hat. Die Impfung darf man sich nicht als Injektionsimpfung vorstellen, sondern es findet meist eine Tauch oder Spühbehandlung statt.


Allerdings gibt es auch noch andere Infektionswege die man nicht außer Acht lassen sollte. Im deutschsprachigen Meerwasserforum (www.meerwasserforum.com) wurde in den letzten Jahren gehäuft von Verlusten des Teil- oder ganzen Besatzes nach Frostfutterfütterung berichtet.

Dies veranlasste uns der Sache nach zu gehen. Dabei kam erschreckendes zu Tage. Demnächst berichten wir in Teil 2 darüber.

Harald Mülder und Robert Baur-Kruppas


Fischpathogene Vibrionaceae:
Aeromonas hydrophila – Erythrodermatitis
Aeromonas salmonicida – Furunkulose
Aeromonas salmonicida ssp. Nova – Erythrodermatitis
Vibrio alginolyticus – Vibriose
Vibrio anguillarum – Vibriose
Vibrio damsellae – Vibriose
Vibrio ordalli – Vibriose
Vibrio salmonicida – Hitra-Krankheit
Vibrio vulnificus – Vibriose

 



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robertbaur

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